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23
Jan
10

Bauernopfer Sawicki – Erfolg der Pharmaindustrie?

Nun ist bekannt, was alles wussten: Der Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen („IQWiG“) bekommt keinen neuen Vertrag. Ihm wird zur Last gelegt, dass er Spesen falsch abgerechnet haben soll und den Dienstagwagen nicht hätte leasen dürfen. Standesgemäß bestreitet er die Vorwürfe. Es wird von einer politischen Kampagne gegen ihn gesprochen.

Sawicki und sein Institut haben das getan, was Vertrauen in unser Gesundheitssystem bringen und schützen soll. Sie haben Medikamente bewertet. Sind sie wirksam? Sind sie wirksamer also eine Verbesserung gegenüber den schon bestehenden Medikamenten oder Behandlungsmethoden? Oder aber sind sie ebenso wirksam wie schon bestehende Methoden bzw. Medikamente? Sind sie vielleicht gar nicht wirksam? Sind sie einfach nur „neu“ und zudem auch noch teurer?
In einem Ausschuss wird beraten, welche Medikamente und Behandlungen die Gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland übernehmen also bezahlen. Das Institut von Sawicki hat den Auftrag zu prüfen, die Wirksamkeit von Medikamenten zu testen. Ob eine Kostenerstattung Sinn macht oder den GKVen und damit den Beitragszahlern nur teuer zu stehen kommt, entschied sich häufig nach dem Votum des IQWiG. Das handelte streng nach der Maßgabe der „evidenzbasierten Medizin“.
Eine sinnvolle Institution also offensichtlich. Welcher „Otto- Normal- Bürger“ kann schon beurteilen, ob dieses oder jenes Medikament nun besser oder eben schlechter ist als ein Vergleichspräparat? Wer kann schon beurteilen, ob ein Preisaufschlag gegenüber dem „Alt-hergebrachten“ begründet ist? Eine Institution sollte dem Beitragszahler und Patienten in Personalunion diese Schwierigkeit abnehmen. Es kann dem Gesundheitssystem Millionen ersparen und den Patienten nützen.

Das macht also Herr Sawicki mit seinem Institut. Kritisch, unbequem und standhaft nimmt er diverse Medikamente unter die Lupe und lässt die Träume von so manchem Pharmakonzern platzen. Einige Male hat er eben genau jenes festgestellt, dass unser Gesundheitssystem so teuer und unseren Geldbeutel so leer macht: Einige Medikamente nutzen nix, kosten nur mehr und sehen nur anders aus. Im schlimmsten Falle sind sogar Gesundheitsschäden zu befürchten. Die Krankenkassen sollten es nicht bezahlen. Die Forschungskosten der Unternehmen waren also umsonst, ein wirtschaftlicher Schaden in Millionenhöhe kann entstanden sein – für jenes Unternehmen, dessen Präparat durchgefallen ist. Die Pharmaindustrie wettert und baut Druck auf: Arbeitsplätze seien in Gefahr.

Was also wiegt mehr? Arbeitsplätze oder Vertrauen in das Gesundheitssystem? Wirtschaftlicher Schaden für Pharmaunternehmen oder ein tatsächlicher Nutzen von Medikamenten?

Sicher, falsch abgerechnete Spesen, Dienstwagen, die einem nicht zustanden, Bevorteilung von engen Familienangehörigen – alles schon einmal dagewesen. Erinnerungen an Ulla Schmidt werden wach, die nur schwer erklären konnte, warum sie einen Dienstwagen in Spanien benötigte. Oder Cem Özdemir, der Bonusmeilen für Privatflüge eingesetzt hat. Oder gar die Fälle, wo auf Grund von wenigen Cent ein langjähriger Mitarbeiter oder eine langjährige Mitarbeiter entlassen worden sind. Da kann man schon nachvollziehen, dass einige Menschen von einem Skandal sprechen und damit die Entlassung begründen. Herr Sawicki hat sich angreifbar gemacht und hätte es besser wissen müssen.

Wäre da nicht die politische Dimension die mit einem Passus im Koalitionsvertrag der schwarz- gelben Regierung beginnt:

Kosten-Nutzen-Bewertungen müssen praktikabel nach klaren, eindeutigen Kriterien erfolgen. Die Arbeit des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) werden wir auch unter dem Gesichtspunkt stringenter, transparenter Verfahren überprüfen und damit die Akzeptanz von Entscheidungen für Patienten und Patienten, Leistungserbringer und Hersteller verbessern. Dabei werden wir die Betroffenen frühzeitig beteiligen.

vgl. Koalitionsvertrag CDU/FDP Seite 87

Die Politik also will die Arbeit des Instituts beeinflussen, seine Objektivität damit angreifen. Es ist der Wille der Koalitionspartner, Entscheidungen zu steuern. Vor dem Hintergrund der Spendendiskussionen von Großunternehmen an die CDU und FDP schrillen alle Alarmglocken. Gibt es nicht eine starke finanzielle Nähe zwischen der FDP und der Pharmaindustrie und ihren Lobbyverbänden? Hatten nicht führende Gesundheitspolitiker der CDU gefordert, Sawicki müsse gegen einen industriefreundlicheren Leiter ausgetauscht werden?

Es bleibt zu hoffen, dass sich der Vorstand auf den letzten Metern besinnt und wieder einen kritischen Leiter des Instituts einsetzt. Patienten und die Bevölkerung von Deutschland haben es verdient. Gesundheitspolitik darf sich nicht nach wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen ausrichten sondern muss dem Wohle der Bevölkerung dienen.
Von der schwarz- gelben Bundesregierung mit Rösler, Widman Mauz, Bahr und Co. ist das nicht zu erwarten.

Quellen: