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14
Jan
10

Es muss Anfang Dezember gewesen sein, als ich in Münster an einer Glühweinbude stand. Es regnete immer wieder, die Menschen quetschten sich möglichst nah an den Tresen entlang und hatten dennoch gute Laune. Mit meinem Glühweingesprächpartner diskutierte ich etwas unerwartet über die politische Debatte zum Themenbereich Freiheit vs. Sicherheit und einem normalen und modernen Umgang mit „neuen“ Möglichkeiten des Internets. Außer Frage, wir haben jeden Bereich angerissen und blieben doch letztlich beim Internet hängen.
Kinderpornografie, Netzsperren, Zensur, Geistiges Eigentum, etc.
Ich berichtete nur kurz, dass ich das Thema spannend finde, mir allerdings das passende Vokabular fehle, um ernsthaft und sicher Auftreten zu können. Insgesamt hätte ich ein difuses Gefühl von dem, was richtig und was falsch sei. So wäre ich davon überzeugt, dass die Netzsperren keinen Sinn machen und ein Instrument sind, dass für den Bereich der Kinderpronografie ersteinmal vollkommen zahnlos ist. Die Bekämpfung der Kinderpronografie hielt ich aber für richtig. Ich bekam Zustimmung und ganz nebenbei fast schon ein tiefgreifendes Referat über die Hintergründe und Gefahren für Demokratie, Freiheit und Gesellschaft. Beinahe populistisch pflichtete ich bei, dass es ja ein Skandal sei, dass ausgerechnet eine kleine Gruppe beim BKA entscheiden solle, welche Seiten zensiert werden sollten oder eben nicht.
Immerhin würden uns schließlich unterschiedliche Gruppierungen immer wieder zeigen, dass es online ein regelrechtes „Katz und Maus-“ Spiel gäbe. Womit wir dann spätestens bei unseren Erfahrungen mit etwaigen Downloads von Musik und Filmen waren, die wir in unserer Jugend gesammelt haben. Bleibt mir noch heute ein Auspruch eines Freundes im Ohr „Napster ist tot, es lebe das französische Gegenstück“, welcher zugleich gut die Situation beschreibt. Das Gespräch drehte sich noch ein wenig weiter um die Möglichkeiten, die es tatsächlich geben würde und wie man sie anwenden könne.
Ich konnte allerdings keine sinnvolle Bewertung abgeben und zog mich schließlich darauf zurück, dass ich die Situation beobachten werde und mit Sicherheit kein großer „Internetpolitiker“ (große Wortschöpfung!) werden würde. Die Vorkenntnisse derer, die sich Tag täglich mit diesem Thema auseinandersetzen würden, könnte ich nicht mehr aufholen.

Vor einigen Tagen lag eine Bürobesprechung an. Mein Chef diskutierte mit mir seine Homepage, die ich zu pflegen habe. Welche Dinge bleiben in der neuen Legislatur drin, welche sollen raus, wo ist noch Veränderungsbedarf. Wie haben sich seine Schwerpunkte verlagert und was verdammt macht er eigentlich thematisch im Rechtsausschuss JURI?
„Geistiges Eigentum und alles was damit zu tun hat“ – „Echt?“ – „Ja“.

So dreht sich alles und ich freue mich seitdem wie ein Schneekönig. Vielleicht werde ich doch noch ein „Internetpolitiker“ – oder Don Quijote…

07
Jun
09

Wahlkampfplakate

Alle sind raus. In den vergangenen Wochen wurde viel drüber diskutiert. Die Wahlplakate der Parteien. Am häufigsten zu sehen waren die großen Parteien Deutschlands: CDU, SPD, Grüne, FDP und Linke. Man bekam das Gefühl, dass die Werbe- Elite zu einem großen Contest zusammengetreten war und nun für jede Partei eine Werbelinie zimmerte.

Es ist spannend zu beobachten, welche Ideen es gab und wie sich die einzelnen Parteien sehen bzw. abgrenzen. Die Linke, um mit der kleinsten der Großen zu beginnen, hat sich für einen tiefen Griff in den blauen Farbeimer entschieden. Ein blaues Plakat mit großen, weißen Lettern darauf. Themen wie Mindestlohn, Geschlechtergerechtigkeit, Abzug deutscher Soldaten aus Afghanistan waren zu sehen. Ihr Spitzenkandidat war Lothar Bisky, der Veteran der PDS und langjährigen Vorsitzenden. Er strahlte das klassische Image eines weisen und lieben Großvaters aus, den jeder fragen und eine warme Antwort bekommen könne.  Der Linken gelang es, ihren europakritischen Kurs und ihre europafeindlichen Kandidaten geschickt hinter Parolen zu verbergen.  Nicht vergessen darf man, dass zwei Abgeordnete, die den Lissabon- Vertrag für zustimmungsfähig hielten, einfach abgestraft wurden. Sie schienen nicht in die Partei- Linie zu passen. Stattdessen  glaubte man tatsächlich, Europa aufhalten zu können bzw. lieber eine fundamentale Opposition bilden zu können und auf jeglichen Einfluss verzichten zu wollen. Ich muss zugeben, dass dies sicherlich auch ein Weg sein kann, allerdings ist davon auszugehen, dass es kein „linkeres“ Europa nach Vorbild der Partei „Linken“ geben wird. Stattdessen werden sie wohl eine starke Linke Kraft im Parlament, die auch Mehrheiten bilden könnte, verhindern. Entsprechend ist denn auch die Farbe der Plakate zu verstehen: Mit der Aufforderung „Rot wählen“ auf blauem Hintergrund bekommt man bei genauerer Betrachtung eher das Gefühl, es wird einem das Blaue vom Himmel versprochen, anstatt einer linken, progressiven Politik.

Die FDP, die nächste Krawall- Partei, macht fleißig Werbung mit ihrer Spitzenfrau. Immer wieder lächelt sie mich an. Ihre Augen ein wenig dunkel geraten und an den entsprechend Wahlspruch der FDP kann ich mich gar nicht erinnern. Das Plakat ist für mich viel gelb, viel Frau und irgendwie fehlte der ein oder andere Inhalt. Aber das lässt sich wahrscheinlich für alle Plakate feststellen. Vielleicht liegt meine Unwissenheit auch daran, dass in Dortmund überall „Damenwahl“ plakatiert worden ist. Eine Anbiederung an den Feminismus, den ich in diesem Sinne nicht von der FDP erwartet habe und mich auch verwundert. War sie doch selten die fortschrittlichste Partei in der Frauenpolitik. Doch so lächelte in Dortmund nicht nur die liberale Spitzenfrau von Europa  sondern auch gleich die „Spitzenfrau“ der Dortmunder FDP. Um das Trio denn letztlich perfekt zu machen, haben sie noch eine junge Kandidatin aus Dortmund aufgestellt. Nach mehrfachem Nachfragen, wer das denn sei, habe ich mir einfach mal die Mühe gemacht, sie im Netz zu suchen. Natürlich bin ich fündig geworden: Sie ist Vorsitzende der Dortmunder „Jung- Liberalen“ (kurz: „julis“) und auf einem Listenplatz, der ihr jegliche Chancen auf einen Einzug ins Parlament unmöglich machen. Kurz gesagt, eine Zählkandidatin macht Werbung für mehr Damen im europäischen Parlament. Dem Wähler wird also vorgegaukelt, dass die FDP für mehr Frauen im Europäischen Parlament und im Rat der Stadt Dortmund steht, obwohl  die jüngste im Bunde keinerlei Chancen haben wird.

Die Grünen ist immer eine Partei, die mit spannenden Plakaten aufgewartet hat.  In den vergangenen Jahren konnte ich mich immer wieder an ihren witzigen Einfällen erfreuen. Auch dieses Mal war das ein oder andere Plakat dabei, welches mir gefallen hat. In Köln wurde passend zur Wahl die Forderung nach mehr Bussen und Bahnen gestellt. Eine durchaus mutige Forderung, die zugleich auch noch richtig ist.  Allerdings die generelle Plakatlinie bedurfte einer Art Beipackzettel, wie ein Journalist in der aktuellen Zeit schrieb. Ein „WUMS“ machte zwar aufmerksam und man stellte sich die Frage, ob der einstige Wahlkampf sich nun auf das zwar knallige „WUMS“ beschränkt oder noch mehr kommt. Mit „WUMS“ haben sie denn auch zwei Quereinsteiger auf ihre Liste platziert. Mit Sven Giegold sogar einen, der sich zu den ATTAC Mitbegründern zählt. Vielleicht ist er denn auch für das „WUMS“ verantwortlich und es ist als Übersetzung von „ATTAC“ zu verstehen. Allerdings ist mehr auch nicht zu hören. In den zahlreichen Home- Story- Berichten, die momentan über die europäischen Politiker gemacht werden, kommen die Grünen dann doch äußerst selten bis gar nicht vor. Vorgedrungen zu mir ist das Einstehen für einen „New Green Deal“. Eine durchaus unterstützenswerte Forderung, wenn sie denn sozial verträglich umgesetzt werden würde und nicht mit einem WUMS den Menschen in Europa aufgezwungen würde.

Die CDU hat im Vergleich zu den drei anderen Parteien denn auch am wenigstens Farbe. Sie konzentriert sich auf Köpfe, stellt ihren Spitzenkandidaten gänzlich in den Schatten und untermalt das Wörtchen „Wir“ mit einer Deutschlandflagge. Ganz so, als wolle man den Menschen glauben machen wollen, als würden in das Parlament 99 Abgeordnete aus Deutschland entsendet, die dort Politik FÜR Deutschland machen würden. Ganz so ist es denn aber eigentlich nicht. Immerhin gibt es keine „deutsche Fraktion“, sondern Zusammenschlüsse zwischen verschiedenen  europäischen Parteien. So will die CDU doch dann auch eher konservative Politik machen, anstatt sich der Linie der Großen- Koalition in Deutschland anzuschließen. Aber der Blick auf die Plakate verrät eigentlich, dass sie außer dem Spruch „Wir in Europa“ keine weiteren Inhalte transportieren wollten. Sie schienen sich gar zu weigern. Denn der Spruch „Für den Weg aus der Krise“ ist eben so Aussagen, wie ein bisschen mehr blau im Hintergrund.  In den letzten Tagen wurde denn schließlich Angela Merkel großflächig plakatiert. Der passende Spruch dazu („Eine starke Stimme für Deutschland in Europa“) wirkte eher wie eine Beschreibung ihres Politikstils in Deutschland: Eine Kanzlerin, die lieber Probleme im Ausland löst, denn sie innerhalb von Deutschland durch ihre Richtlinienkompetenz anzupacken. Zu allem Überfluss wird dem Bürger erklärt, dass unsere Kanzlerin wählbar sei. Es wäre eine große Überraschung für mich, wenn sie denn als Parlamentarierin von der großen Waschmaschine in Berlin nach Straßburg/Brüssel wechseln würde. Zudem steht sie auch auf keiner Liste der CDU zu Europawahl

Bleiben abschließend die Plakate der SPD. Selten habe ich erlebt, dass in Deutschland so intensiv über die Plakate der SPD gestritten wurde. Wahrscheinlich muss daher konstatiert werden, dass hier die Werbedesigner die beste Idee hatten. Die Comic- Plakate strahlen ein gewisse Form des Humors aus und lassen auch mich als Betrachter schmunzeln. Außerdem werden die Plakate im Netz vielfältig abgeändert. Einen größeren Ritterschlag konnte man dieser Linie gar nicht geben. Während die anderen Parteien keine Inhalte plakatieren (CDU/FDP) bzw. ein Erläuterungsschreiben zum Slogan dazu legen (Grüne), legt sich die SPD darauf fest, ebenfalls zunächst einmal weniger Inhalte zu transportieren. Abgrenzung war hier das große Stichwort. Wie die SPD die politische Konkurrenz sieht, soll dargestellt werden und dem Bürger vermittelt werden. Überraschend dabei ist, dass mit dem Grundsatz gebrochen worden ist, niemals den politischen Gegner auf einem Plakat zu nennen. Trieb Alt- Kanzler Schröder diese Technik auf den Höhepunkt, als er niemals von Prof. Kirchhoff sprach, sondern immer von dem „Professor aus Heidelberg“, bricht die Partei nun damit. Zuspitzung scheint hier das Motto zu sein. Inhalte werden auf dieser comic- artigen Plakatlinie ebenfalls nicht vermittelt. Auffallend ist dabei nur, dass die Grünen keine Erwähnung finden.  Eine zweite Linie auf den großen Plakaten wurde dann als inhaltstragend platziert. Sparkassegesetz, VW- Gesetz und eine Marktarchitektur mit festen Regeln  werden als Themen dargestellt. Zudem wird versucht mit Martin Schulz als Kandidat für ein Kommissionsamt eine Personalisierung hinzubekommen. Die Menschen sollen nicht nur über Inhalte sondern auch über Personen abstimmen. Hier nun mal Martin Schulz. Im Unterschied zur CDU, die mit Merkel ebenfalls personalisieren will, ist Martin Schulz tatsächlich im Europäischen Parlament aktiv. Als Zugpferd scheint er aber dennoch nicht zu funktionieren.

Wie also ist der Werbedesigner- Workshop nun ausgegangen? Die SPD versucht ihren Status als die Partei mit dem modernsten Wahlkampf zu verteidigen und prescht forsch nach vorn. Der CDU will man ein weichgespültes Image verpassen. Als man anscheinend über die FDP nachdachte, musste man sich auf Silvana konzentrieren, ist doch der marktradikale in diesen Monaten nicht gut zu transportieren. Die Linke bekommt jene Plakatlinie, die sie auch in ihren politischen Handlungen umsetzt, in der sie das Blaue vom Himmel verspricht. Die Grünen  haben in diesem Contest ihren Nimbus der Partei mit den humorvollsten Plakaten verloren und stehen dennoch für ihre WUMS- Politik. Die SPD hat eine Linie bekommen, die mutig wirkt, was die Partei aber eigentlich nicht mehr ist. Vielleicht muss man auch sagen, dass sie die Alternative zur CDU ist, wenn man die CDU nicht wählen will. Eigentlich zu wenig für eine sozialdemokratische Partei. Die Werbedesigner haben aber wahrscheinlich hier dennoch das Beste daraus gemacht.

Ein abschließendes Wort, dieses nun viel zu lang gewordenen Eintrags: Ich freue mich schon auf den Bundestagswahlkampf. Wie werden sich die Parteien dort darstellen und wie werden sie aus ihren Erfahrungen dieses Wahlkampfes lernen?